Mehr wissen, besser leben: Ihr Hausarzt rät!
Erziehung
- Verantwortung lernen
Anfrage:
Als Mutter unseres 18-jährigen Sohns komme ich ganz gut damit zurecht, daß der
Junge viel ausgeht und auch lange wegbleibt, da er seine schulischen
Angelegenheiten ordentlich erledigt. Warum soll er nicht ausgehen und Spaß
haben? Das Leben ist noch hart genug, wenn er mal im Beruf ist. Nur mein Mann
ist mit dieser Haltung nicht einverstanden. Und will ihn mit mehr Pflichten
als nur den schulischen in die Verantwortung nehmen.
Frau Dr. Marle Kallen:
In Ihrer Einstellung ist die Annahme eingeschlossen, daß der Sohn die Schwere
des Lebens später auch selbstverständlich auf sich nehmen wird. Das tun
viele nicht mehr. Sie verweigern die Geschwindigkeitsbegrenzung genauso wie
das Helfen oder Abgeben. Alles, was Mühe kostet, wird verweigert. So werden
sie blind für die Realität dessen, was alles von den Eltern besorgt und
verantwortet wird. Das geht vom Saubermachen, Essen kochen, Wäsche besorgen
bis zum Versicherungsschutz.
Verweigerung
Wer nicht früh lernt, daß es hart ist,
Verantwortung zu haben, bleibt emotional ein Kind. Wenn Jugendliche sich Geld
verdienen durch einen Job neben der Schule, um besondere Wünsche abzudecken,
finden Eltern das schon toll und glauben, er lernt Verantwortung zu haben.
Aber damit wird noch kein Beitrag zur Familiengemeinschaft geleistet. 20 Jahre
später soll dieser Junge als Mann eine Wohnung, Essen und Kleider für die
Familie zahlen! Es fällt ihm dann sehr schwer, etwas für andere herzugeben.
Viele verweigern das Familienleben und wollen lieber Singles bleiben.
Wie können wir erreichen, daß unsere Kinder
nicht als Prinzen mit dem Cabriolet auf den Berggipfel gefahren werden? Indem
wir sehr früh anfangen, dem Kind Verantwortung zu geben. Steht ein
Fahrradkauf für den Sohn an, so muß es nicht gleich das 21-Gänge-Rad sein,
sondern vielleicht eins, das der Sohn, nach Einweisung durch den Vater
teilweise selbst reparieren kann und dafür Verantwortung übernimmt. Und er
muß es aushalten, daß die meisten Freunde 21 Gänge haben. Als Eltern
müssen wir ihm diesen Verzicht zumuten. Verzichten können ist notwendig,
um Verantwortung zu lernen.
Wenn die Mutter dauernd und liebevoll ermahnt „hast
du auch daran gedacht und dies besorgt?", wie soll das Kind später als
Erwachsener an alles denken, wenn es ihm niemand mehr sagt? Es scheint so,
daß Mütter durch die Schwangerschaft und durch die Notwendigkeit, sich immer
einfühlen zu müssen, einen engeren Bezug zum „Besorgen" haben. Väter
sind abwesender. Es wäre nötig und wünschenswert, daß Väter aus diesem
Blickwinkel heraus sagen: „Das Kind oder der Heranwachsende soll mehr
Verantwortung lernen, und ich helfe ihm dabei!"
Pflichten
Wir sind zu sehr ein Stützkorsett für die
Kinder; davon werden ihre Muskeln nicht stark. Schwielen kommen nur vom
Arbeiten. Es reicht nicht, daß die Kinder nur den schulischen Teil ihrer
Pflichten erledigen; sie müssen auch lernen, negative Gefühle aushalten zu
können, den Neid, die Ungerechtigkeit, die Eifersucht. Nur so bekommt das
Kind emotionale Stärke für alles, was im Leben kommt.
(Beantwortung eines Leserbriefs an Frau Dr. Marle
Kallen in Mainz)
Bitte sprechen Sie mich an, wenn Sie Fragen haben.
Zurück zur
Themenübersicht